Freifunk Frankenberg versorgt die HEAE in Bad Arolsen mit WLAN und Internet
Konzept und Planung
Die HEAE – das Kürzel steht für Hessische Erstaufnahme Einrichtung – ist im Falle von Bad Arolsen das Gelände der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne am Stadtrand. Die Einrichtung ist für bis zu 350 Menschen gedacht.
Rückblende: Anfang Dezember 2020 sprach Bad Arolsens Bürgermeister van der Horst die Freifunker in Bad Arolsen an. Konkret ging es um die Frage, ob wir rund um das ehemalige Kasino der Kaserne die dortigen Gebäude mit WLAN versorgen können – bereits zu diesem Zeitpunkt war klar, dass wir von mehreren dutzend Geräten inklusive neu zu schaffender Internetanbindung reden würden. Als sei das nicht genug, packte der Bürgermeister noch einen Wunsch oben drauf: “Bis Weihnachten sollte das fertig sein, die Leute wollen doch mit ihren Familien sprechen können.”
Gesagt, getan. In mehreren (virtuellen) Treffen beriet sich die Bad Arolser Freifunkgruppe und Teile des Gesamtvereins und nach gut einer Woche stand das Konzept, mit dem die HEAE erschlossen werden sollte. Auch ein Lob an die Stadt darf hier nicht fehlen: als der Plan stand, regelte die Stadt das Finanzielle innerhalb kürzester Zeit, so dass rechtzeitig vor Weihnachten die Hardware vorlag. Der erste Schritt war getan.
WLAN an die Häuser bringen
Die HEAE besteht aus vier Wohnblöcken mit jeweils zwei Etagen sowie einem Verwaltungsgebäude (das alte Georg-Friedrich-Kasino). In der Planungsphase kamen wir zu dem Schluss, dass wir den zentralen Internetzugang im Verwaltungsgebäude errichten würden, um von dort aus die übrigen Gebäude per Funk anzubinden – das Verlegen von Kabeln zwischen den Gebäuden kam allein schon aufgrund des Timings und der Kosten nicht in Frage.
Aus anderen Projekten im Verein hatten wir in Sachen Gebäudevernetzung schon Erfahrungswerte, auf denen wir nun aufbauten. Eine davon war, hardwaremäßig voll auf Ubiquiti zu setzen, so wie wir es auch in unserem Leitfaden für die Geräteempfehlung schon geschrieben haben.
Folgende Gerätschaften kamen zum Einsatz:
- zwei Ubiquiti ERX-SPF als Offloader im Verwaltungsgebäude, die jeweils zwei Wohngebäude mit Internet versorgen
- vier Building-2-Building-Bridges für die Anbindung der Gebäude mit modernster 60GHz-Technologie
- Pro Gebäude sechs AP-AC-Pro und zwei USW-Flex-PoE-Switche, die die Accesspoints mit PoE versorgen, so dass wir die Verkabelung schlank halten konnten
Eine besondere Herausforderung war, dass die gesamte Installation vandalismussicher installiert werden sollte. Dazu muss man wissen, dass Outdoor-Installationen natürlich immer wind- und wetterfest gestaltet werden wollen. Und gelegentlich muss man auch das Thema Diebstahl im Auge behalten. Hier jedoch wurden ernsthafte Sorgen an uns herangetragen, dass die Geräte wirklich sehr gut geschützt werden müssten. Lange Rede, kurzer Sinn: Installationen innerhalb der Wohngebäude, zum Beispiel auf den Fluren, kamen somit aus praktischen Gründen nicht zum tragen. Im Ergebnis musste sämtliche Technik an den Fassaden verbaut werden.
Internet: woher nehmen und nicht stehlen?
Die Planung der WLAN-Installation war halbwegs in trockenen Tüchern, zumindest um die 150 Endgeräte würden mit dem ersten Wurf versorgt werden können. Zur Erinnerung: Vom Start Anfang Dezember 2020 bis zur Fertigstellung “vor Weihnachten” waren es ja gerade einmal drei Wochen.
Wie dem auch sei, das beste WLAN ist nur so gut, wie dessen Anbindung ins Internet. Dass die Internetversorgung in Deutschland seit jahrzehnten ein Trauerspiel ist, ist keine Neuigkeit mehr. Die Konsequenz davon ist aber auch, dass am Stadtrand von Bad Arolsen, im ehemaligen Kasernengelände etwas außerhalb des Ortsteils Mengeringhausen an einer Bundesstraße in einem Gewerbegebiet, schlichtweg keine(!) Breitbandanschlussmöglichkeit vorhanden ist. Die Stadt bemüht sich seit Jahren redlich darum, doch es klappt einfach nicht – weder die Deutsche Telekom noch UnityMedia/Vodafone waren in der Lage, dort etwas kabelgebundenes zu liefern. Der neue Mobilfunkstandard 5G ist an der Einrichtung ebenfalls nicht verfügbar, so dass wir notgedrungen auf LTE ausweichen mussten.
Und das war es dann auch: ein LTE Router. Ein(!) Router, der unter Praxisbedingungen zwischen 10 und 20 MBit pro Sekunde liefert – wohlgemerkt für rund 150 Geräte. Zur besseren Lastverteilung haben wir jeweils zwei Häuser an einen LTE-Router angebunden, so dass wir aktuell zwei LTE-Verbindungen für die Anbindung der HEAE-User nutzen. Echte Breitband-Anbindung sieht anders aus, aber mehr geht unter diesen Rahmenbedingungen momentan nicht. Wir bleiben positiv: es ist besser als nichts.
Test und Aufbau
Unter der Führung des Bad Arolser Freifunkers Benjamin Willers (Inhaber der NetzConzepte GmbH in Wetterburg) ging es nun darum, Hard- und Software schnellstmöglich aufeinander abzustimmen. Glücklicherweise stellte die Firma NetzConcepte ihre perfekt ausgestattete IT-Werkstatt zur Verfügung, so dass wir keine zwei Wochen vor Weihnachten mit der der Installation der Geräte und der Konfiguration sämtlicher Komponenten beginnen konnten.
Wir betreiben die ERX-Router mit unserer eigenen Firmware, die anderen Ubiquiti-Komponenten vor allen Dingen aus Performancegründen mit der Hersteller-Firmware, der sogenannten Stockfirmware. Die Verwaltung erfolgt über einen Unifi-Controller von Freifunk Frankenberg, den wir auch schon für andere Umgebungen nutzen.
Montage
Die Montage vor Ort erfolgte im Anschluss durch den Bauhof der Stadt Bad Arolsen, wir waren dann nur noch vor Ort, um die Komponenten netzwerktechnisch zu kontrollieren. Herzlichen Dank an alle Beteiligten bei den Stadtwerken für die gute Zusammenarbeit – vom Legen des Stroms bis zur Montage der Gerätschaften hat das einfach gut funktioniert. Top!
Going live
In einer der Planungsrunden kam schon früh die Frage auf, inwieweit wir die Nutzerinnen und Nutzer in das Thema WLAN einführen müssten. WLAN-Aufkleber mit arabischen oder englischen Hinweisen wurden diskutiert, Aushänge dieser Art kannten wir auch schon von einem “unserer” Flüchtlingsheime in Frankenberg.
Die Realität belehrte uns dann jedoch eines besseren. Als wir am 22.12.2020 um 12 Uhr die Gesamtinstallation aktivierten, dauerte es weniger als 300 Sekunden(!), bis sämtliche Smartphones, Tablets und sonstigen IP-fähigen Internetgeräte im Freifunknetz eingeloggt waren. Eine Einweisung war nicht erforderlich – noch während wir die letzten Kabel steckten, war die Einrichtung komplett online gegangen.
Die Freifunk-Entwicklung von Bad Arolsen lässt sich in unserem Statistikdashboard ganz wunderbar nachvollziehen – klickt doch mal rein.
Ausblick: mehr Bandbreite
So mancher Privathaushalt wird das Problem nachvollziehen können: eine Familie mit zwei Kindern kann problemlos eine 50 MBit Festnetzleitung auslasten – Youtube & Co lassen grüßen.
Ähnlich würde es sich sicherlich auch in der HEAE verhalten, jedoch ist die örtliche LTE-Bandbreite lange nicht in der Lage, für so viele Geräte (Spitze: 180) gleichzeitig gute Netzdienste bieten zu können. Videocalls mit der Familie oder TV-Streaming sind damit einfach nicht sinnvoll machbar. Und schlimmer noch: die im Dauereinsatz befindlichen LTE Router sind nicht mal sonderlich stabil – unsere Monitoringtools zeigen immer wieder, dass es zu erheblichen Einbrüchen in der LTE Performance kommt. Es ist klar: diese Art der Anbindung ist keine befriedigende Dauerlösung.
Am Horizont zeichnet sich jedoch eine Lösung ab. Ein örtliches Systemhaus, dass im Mengeringhäuser Feld seinen Sitz hat und über einen großen Funkmasten (mit Glasfaseranbindung!) verfügt, stellt sich als weiterer Internet-Zubringer für die HEAE zur Verfügung. Es ist unser Ziel, noch im ersten Quartal 2021 eine potente Richtfunkanbindung vom Verwaltungsgebäude hin zum besagten Systemhaus zu errichten, so dass wir der Einrichtung dann erheblich bessere Bandbreiten zur Verfügung stellen können.
Freifunk im städtischen Umfeld
Die Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Arolsen hat aus Sicht unseres Vereins hervorragend funktioniert. Verbindliche Absprachen, klare Ziele, kurze Wege – so macht die Arbeit im Ehrenamt Freude und sie bereichert gleichzeitig die örtliche Gemeinschaft. Freifunk ist jetzt in Bad Arolsen angekommen und der Weg in die Innenstadt und weiterer Ortsteile ist vorgezeichnet. Vielen Dank an alle, die in Bad Arolsen und Umgebung dazu beigetragen haben, dieses Projekt zu realisieren.
Städte und Gemeinden, die mit uns ihre Innenstädte, Vereinsheime oder Flüchtlingsunterkünfte aufwerten wollen, die Outdoor-Sensorennetze hochziehen oder ganz allgemein eine öffentliche digitale Infrastruktur schaffen wollen, können sich gerne an uns wenden. In gut 30 Städten und Stadtteilen sind wir bereits präsent – tendenz steigend. Wir freuen uns auf den Kontakt.